Letzten Samstag kam mir eine Fahrrad Demo entgegen. Ich freute mich, weil ich Regenbogenfahnen sah und die Worte Freiheit und Frieden hörte. Ich dachte, dass es eine Antirassismus Demo ist und dass es um den Protest geht, der durch die Ermordung des Schwarzen Amerikaners ausgelöst wurde. Als die Demo näher kam, las ich allerdings die Plakate "Querdenker". Und fühlte mich richtig gut, genau entgegen der Demofahrtrichtung zu radeln, mitten durch die "Querdenker" und "Widerstandskämpfer" hindurch.
Am Samstag davor saß ich just in der Straßenbahn, in die einige "Querdenker" nach ihrer Kundgebung ohne Mundschutz einstiegen. Zwei davon setzten sich genau mir gegenüber, ohne Mundschutz. Ich stand auf und setzte mich woanders hin. Gerne hätte ich mich "angelegt", wollte aber kein Infektionsrisiko eingehen.
Wiederum am Samstag davor kam ich zufällig an der Kundgebung vorbei, setzte einen Mundschutz auf (ich war die einzige mit Mundschutz) und ging auf den Platz, um mir ein paar von den Rednern anzuhören. Bei der zweiten Rede konnte ich es aber nicht mehr aushalten, was ich da zu hören bekam.
Ralf Ludwig z.B., einer der Gründer von "Widerstand 2020" behauptet, dass durch den Shutdown in Deutschland weltweit Menschen sterben würden und von Armut bedroht würden. Ja geht's noch? Hat er nicht mitgekriegt, dass z. B. die meisten afrikanischen Länder selbst, sehr früh, ihren Shutdown und ihre Grenzen dicht gemacht haben, insbesondere für Europäer. Er hat anscheinend auch nicht mitgekriegt, dass in vielen Ländern die Freiheitsrechte erheblich stärker eingeschränkt waren, als bei uns. Es wird von "Krankheitsvermeidungsabsolutismus" gesprochen, dem die Freiheitsrechte des Einzelnen geopfert würden. Ja was heißt das denn? Das Corona Virus ist nicht gefährlicher, wie ein Grippe Virus. Gesunden Menschen, deren Immunsystem intakt ist überleben das locker. Alles nur Panikmache.
Was heißt das in Konsequenz? Das heißt doch: Riskiert, nehmt in Kauf, dass viele alte Menschen sterben. Die wären eh bald gestorben. Und die anderen Risikogruppen, die chronisch Kranken, Behinderten, Immungeschwächten können ja zu Hause bleiben, wenn sie Angst haben. Den Starken, Gesunden und Jungen kann das Virus nichts anhaben, warum sollen wir uns einschränken. Wir werden das überleben. Also lasst es einfach laufen, das Virus. Das regelt sich von selbst.
So ähnlich "argumentiert" auch Bolsonaro: Die Starken überleben. Und spaltet die Gesellschaft in Starke und Schwache und verheizt das Krankenhauspersonal.
Ich finde diese Argumentationsketten zutiefst egoistisch, entsolidarisierend und auch aggressiv. Deshalb macht es mich auch aggressiv.
Ist das Freiheit, wenn es egal ist, ob das Gesundheitssystem kollabiert? Wenn Krankenhauspersonal, wie z.B. in Italien, wochenlang am Limit um die Kranken kämpft und viele selbst der Krankheit zum Opfer fallen?
Diese Querdenker mit ihren Gurus, Besserwissern und Schuldzuweisern gehen mir gehörig auf den Senkel. Ich finde die sollten eine Patientenverfügung hinterlegen, mit der sie auf jegliche medizinische Behandlung, insbesondere auf Intensivmedizinische verzichten. Aber auch das würde immer noch nicht ihre Rücksichtslosigkeit und Egomanie gegenüber ihren Mitmenschen rechtfertigen. Sie gefährden ja immer auch ihre Mitmenschen und nicht nur sich selbst.
Was wollen die eigentlich noch? Z. B. Reisefreiheit. Wohin wollen sie denn reisen? Sie können doch nur dahin reisen, wo sie auch reingelassen werden. Brasilien vielleicht oder die USA? Hoffentlich reisen sie nicht nach Italien und verbreiten dort ihre Ver-Queren Ideen. Das würde sicher bei den besonders betroffenen Italienern nicht gut ankommen.
So, jetzt habe ich mich so langsam genug (ein bisschen boshaft) abreagiert.
Mir wäre es eh viel lieber, wenn wir uns darauf fokussieren, wozu z. B. unser Entwicklungshilfe Minister, Gerd Müller, aufruft: "Die Corona Krise ist ein Weckruf an die Menschheit, mit Natur und Umwelt anders umzugehen. Ein Auslöser der Pandemie liegt auch im Raubbau an der Natur, in der Rodung der Regenwälder. Deswegen müssen wir umdenken und können nicht einfach zur Normalität der Globalisierung zurückkehren."
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Rolf Hohmann (Freitag, 17 Juni 2022 14:56)
Bin kein Querdenker, war nie bei einer Demo dabei.
Aber besonders im 1. Jahr der (angeblichen) Pandemie starben viel mehr Menschen hierzulande an den völlig überzogenen Maßnahmen als jemals an Corona
Eveline Ziegler (Sonntag, 19 Juni 2022 11:04)
Danke für Ihren Kommentar, Herr Hohmann. Ich bin zwar anderer Meinung was die Corona angeht, würde mich aber interessieren, was Sie zu meinem letzten Absatz denken. Und haben Sie bei Ihrem Kommentar berücksichtigt, dass der Artikel schon von Juni 2020 ist?
Grüße