Letzte Woche habe ich mit einer engen ehemaligen Kollegin das Grab eines vor kurzem verstorbenen Kollegen besucht. Der Friedhof ist in einem kleinen Dorf ganz in der Nähe des Wohnhauses von G. Nahe Angehörige, Bruder und Schwägerin, haben uns in G.s Garten eingeladen zu Kaffee und Kuchen und so hatten wir ausgiebig Gelegenheit uns Geschichten, Erlebnisse, Beobachtungen und Erinnerungen über G. zu erzählen und auszutauschen, die der jeweils andere nicht kannte, nicht kennen kann. Die Verwandten kennen nicht den Mann, der in der Großstadt auf dem Sozialamt arbeitete, was er dort erlebte, wie er seine Arbeit machte, welchen Anspruch er hatte, seine Art, wie er mit all den Menschen kommunizierte, kennen nicht seine Kolleg*innen, nicht seine Gewohnheiten im Arbeitsalltag. Und wir, seine Kolleginnen, wussten wenig über seine Herkunftsfamilie, seine Eingebundenheit im Dorf, im Alltag zu Hause, seine familiären Beziehungen und das soziale Umfeld in seiner Freizeit, in seinem Leben außerhalb der Arbeitswelt.
So erzählten wir uns gegenseitig Geschichten des jeweils weitgehend unbekannten G. Und G. wurde dadurch wieder ein Stück lebendig. Er saß nicht direkt mit am Gartentisch, aber alle hatten das Gefühl, er ist ein bisschen anwesend. Mehrfach wurde das Wort direkt an ihn gerichtet.
Zugleich aber, war dieser Nachmittag, diese Gespräche, dieses Erzählen, der Beginn eines Ablösungsprozesses, der Beginn des endgültigen Abschieds von unserem lieben Kollegen. Zuvor schon konnte ich um ihn trauern und weinen, für mich alleine. Aber eben nicht mit anderen, die ihm auch nahe standen, die ihn auch so gut kannten.
Ich glaube dieses Erzählen über die verstorbene Person in der Vergangenheitsform ist der Beginn der Erkenntnis und Akzeptanz dessen, was so unbegreiflich ist. Der Tod.
Kommentar schreiben
Georg Frieß (Montag, 05 September 2022 11:27)
G. F. sagt: Der Tod ist das wichtigste Ereignis am Ende des Lebens.