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Spurenreisen

Spurenreisen. Das neue Projekt von Georg Frieß, als Weiterentwicklung des Land-Art-Projekts "Spuren". 

Die Aufmachung: wie ein Reiseangebot. Das Angebot: Bessunger Hang und Rheingraben, Groß Umstadt, Pribor in Tschechien, Wien Paris London, Goethestätten in Frankfurt. Irgendwie verknüpft mit den Spuren Projekten. 

Das Reise"angebot" eine Anregung für Kopfreisen? Oder als Anleitung, Ideengeber für eigene tatsächliche Reisen? Macht das überhaupt einen wesentlichen Unterschied?

Ist es eine Anregung sich mit all den vergangenen Reisen zu verbinden? Die Fährte aufzunehmen mit den Spuren, die ich hinterlassen habe? Ein Anstoß, noch einmal an die Orte zu reisen, wo ich schon mal war und nach den Spuren zu suchen, die ich dort hinterlassen habe?

Spuren in sich selbst suchen, die all die Reisen zu fremden Orten in mir hinterlassen haben?

Vermutlich alles zusammen?

Mir kommt da der Gedanke, dass das neue Projekt von Georg Frieß auch etwas mit dem Älterwerden zu tun hat. Der Bewegungsradius schrumpft mit den Jahren immer mehr. Im Kopf aber geht die Bewegung, das Reisen, das Erkunden, das Erinnern, weiter. Reisen mit dem Finger auf der Landkarte, wie man so plastisch sagt.

Aus diesem "Reiseunternehmen" hat Georg Frieß nun einen Kalender für das kommende Jahr kreiert. Zusammen mit Zeichnungen aus seinem Privatbesitz, vorwiegend von Walter Schmidt, der schon zu den Spuren Projekten Zeichnungen machte. Und eigenen Gedichten aus dem Band "Radiales Leben".

Die Gedichte von Georg Frieß sprechen von Sehnsucht, Trauer, Frust, Hoffnung, Schmerz, Schlaflosigkeit. Von Sehnsucht nach unerfüllbarer Zukunft. Und Trauer über unerfüllte Vergangenheit.

Bei einigen Gedichten hat man das Gefühl, dass ein junger Mensch sie geschrieben hat, der noch viele Sehnsüchte und Wünsche hat, wie das Oktobergedicht:

 

runen sind

in ferne steine

eingeritzt

geheime sehnsucht

zieht ihn hin

er will suchen

will erraten

ihren sinn

 

Andere wiederum sprechen von Frust und Enttäuschung und Entzauberung. Und vom Einrichten mit den Gegebenheiten, die nicht zu ändern sind.  Auch von Akzeptanz der Realität, die so ist wie sie ist.

 

am sonntagmorgen

verließ er sein haus

und ging die straße

hinunter

er hörte das

vaterunserläuten

und freute sich

auf die

gedankenlosen scherze

über die er

mit den männern

während sie langsam

bier tranken

immer wieder

gelacht hatte

 

 

Das Dezember Gedicht spricht von der Gegenwart. Mit dem Schmerz ist man immer in der Gegenwart und auf sich selbst zurückgeworfen. Der Schmerz, ob seelisch oder körperlich, zwingt uns dazu. Mit dem Schmerz sind wir ganz in der Gegenwart und ganz wir selbst. Keine Kapazität für den Nächsten. 

 

Dezembergedicht:

 

er fühlte den schmerz

in der rechten hand

schon seit tagen

er erwärmte wasser

in seinem kochtopf

und legte die hand

hinein

einen anderen rat

wusste er nicht

 

Zusammen mit den atmosphärisch passenden Zeichnungen ein melancholischer, sehr persönlicher und nachdenklicher Kalender für das Jahr 2022. 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Frieß (Samstag, 18 September 2021 18:45)

    Danke für den einfühlsamen, klugen Beitrag. Ich fühle mich verstanden. Einzelne Kalender sind noch bei mir kostenlos zu erhalten.
    Georg Frieß friess-darmstadt@t-online.de