Freud gedenken in der Sigmund-Freud-Straße in Frankfurt. Löst Erinnerungen aus an meine Berufstätigkeit in Sozialen Brennpunkten. Die Sigmund Freud Straße ist ebenso wie die Ahornstraße in Frankfurt Griesheim eine geteilte Straße. Geteilt in Hochhäuser und Wohnblocks mit Sozialwohnungen und in den Einfamilienhäuschen Bereich.
Sigmund Freud gedenken ausgerechnet in einem Wohngebiet, wo früher zumindest, sozialer Sprengstoff lag. Das ist eine Absicht von Georg Frieß. Er hätte das Projekt ja auch am Sigmund Freud Haus in einer eher noblen Wohngegend ansiedeln können.
Sigmund Freud selbst hat in seinem Schaffen sich nicht um gesellschaftliche Aspekte, Diskriminierung, Exklusion, Spaltung nachgedacht, sondern sich mit den inneren, psychischen Welten, Abspaltungen, Verdrängungen beschäftigt. Und dies vorwiegend bei Menschen aus gehobeneren Gesellschaftskreisen, meist Frauen. Kontakte zu den unteren Klassen der Gesellschaft dürfte Freud kaum gehabt haben (außer zu seinem Trafikanten beim täglichen Einkauf von Zeitungen und Zigarren?).
Gedenken an Sigmund Freud beginnt an der U-Bahn Station Sigmund-Freud-Straße an der, außer dem Namen nichts auf Freud hinweist, und, ein paar Schritte weiter am Platz der Drei Mammutbäume, die eingekreist von Hochhäusern nicht gerade mammutmäßig groß wirken. Sie entfalten ihre Erhabenheit erst, wenn man sich zwischen die Bäume stellt und senkrecht nach oben in den Himmel blickt.
An einem der Hochhäuser wird gerade ein Gerüst abgebaut. Eine schwere Arbeit, die außerdem viel Fachkenntnis und Konzentration erfordert. Ich bewundere diese Männer immer wieder. Große Verantwortung für die Kollegen, die weiter unten stehen, wie für die Anwohner, deren Hauseingang sich direkt unter dem Gerüst befindet und die auch während der Abbau Arbeiten darunter hindurchgehen ohne überhaupt darauf zu achten.
Kurzes Gespräch mit einer Mitarbeiterin eines Wachdienstes, die uns fragt, ob sie uns helfen kann und die über die Bewohner der Hochhäuser respektvoll erklärend berichtet. Wir stehen um ein Spielzeug herum, was mitten auf dem Weg aufgebaut ist, eine Art Ritterburg aus Teilen zusammengesteckt, und ein historisches Schiff, ebenso aus Steckteilen. Wir fragen uns, ob ein Kind das vergessen hat, als es zum Essen nach Hause beordert wurde. Oder ob das Spielzeug mit Absicht da stehenblieb um zu erfreuen? Hinter uns ist ein für Sperrmüll abgegrenztes und eingezäuntes Areal auf dem ebenso Spielzeugteile liegen. Roland findet einen Engelsflügel aus Plastik und vermutet, dass der dazu gehörige Engel jetzt immer im Kreis herumfliegen muss.
Was bedeutet es in der Pandemie in einem Hochhaus zu leben? Mit hunderten anderen Menschen, für die Kinder. Aufzüge benutzen (müssen), die eng und unbelüftet sind. Prinzipiell sind die Menschen bestimmt froh eine Wohnung zu haben. Es sind große Wohnungen für Familien mit mehreren Kindern, berichtet uns die Wachdienstmitarbeiterin.
Die Mammutbäume werden wahrscheinlich nicht mehr weit in den Himmel wachsen. Sie sehen schon etwas angeschlagen aus, haben Trockenschäden. Leiden sie an der Klima Erhitzung?
Die dritte Denkmarke ist das Kinderzentrum Sigmund-Freud-Straße. Eine Gebäude sieht man von der Straße aus gar nicht. Es sieht so aus, als ob der Eingang ins Erdinnere führt, in einen Erdhügel hinein. Auf dem Hügel stehen zwei Pavillons aus Glas, die von einem japanischen Architekten entworfen wurden. Rätselhaft, was Kinder in diesen kleinen Pavillönchen machen sollen? Wozu dienen sie?
Die 4. Denkmarke ist die Freud Backstube. Leider geschlossen und auch die Tisch Bank Garnitur davor ist nicht zu benutzen, weil umgekehrt aneinandergekettet. Also bleibt nur ein mitgebrachter Snack im Stehen, auf einem Kiesbett, was zum Steine sammeln animiert. Die Freud Backstube ist nicht nur Bäckerei und Cafe´, sondern auch Lottoannahmestelle, Paketdienstanbieter, Zeitungsverkaufsstelle. Ein Multifunktionsladen mit eingeschränkten Öffnungszeiten.
Denkmarke 5: Das fehlerhafte Straßenschild. Ist inzwischen vom Straßenschilder Amt korrigiert. Auf dem Straßen Beischild stand: Sigmund Freud. Psychologe, was zu Freuds Zeiten noch gar keine Fachbezeichnung war. Sigmund Freud war Arzt und Psychopathologe. So steht es jetzt korrigiert auf dem Schild. Das hat die Stadt Frankfurt der Aufmerksamkeit und Initiative von Georg Frieß zu verdanken.
Weitere Haltepunkte: Ein mediterraner Gemüse- und Obstladen, mit kunstvoll aufgestapeltem Auslagen und enormen Kohlköpfen. Ein Telefonzellen Bücherschrank. Ein Kiosk oder besser gesagt Wasserhäuschen, wo es neben allen Getränkearten auch Nasch- und Knabberzeug gibt und "Notfall"-Lebensmittel (beim Einkauf vergessen). Und was auch, nicht nur zu Corona Zeiten, Treffpunkt für einsame Herzen ist.
Man hätte zum Gedenken an Freud noch eine Zigarre rauchen können, wenn man denn (noch) rauchen würde. Leider ist der gute Freud an seinen Zigarren gestorben: Zungenkrebs. Jämmerlich, schmerzvoll. Zum Glück nicht einsam. Speziell seine Tochter Anna hat sich um ihn gekümmert und auch um seinen Nachlass. Besonders die Quintessenz seiner Arbeit "Abriss der Psychoanalyse" an der Freud bis wenige Tage vor seinem Tod arbeitete.
Ja, das Leben ist so voller Widersprüche, Spannungsfelder, manchmal Hochspannungsfelder, Ambiguitäten. Das alles wahr- zunehmen, gehört zum Spuren Projekt X von Georg Frieß.
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Friess (Donnerstag, 08 April 2021 21:04)
Danke. Fühle mich verstanden.