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Der männliche Blick

Frauen und der männliche Blick. Was ist damit gemeint?

Vor einiger Zeit in einer Sendung "Der Tag" im HR 2, eine Folge zum Thema "Spazieren, Flanieren". An und für sich ein sehr schönes Thema. Dann aber gab ein Satz mir einen Stich und mit dem Genuss war es vorbei. Da wurde mir nämlich klar, dass ausschließlich der männliche Blick auf dieses Thema geworfen wurde und dass ausschließlich von Spaziergängern und Flaneuren die Rede war. Der Satz war ungefähr: "Was bedeutet Spazieren? Flanieren? Man geht und nimmt etwas wahr, was einem begegnet. Man spürt einen Luftzug. Man nimmt Blumen wahr am Wegesrand. Eine schöne Frau kommt einem entgegen. "

Das hat mich getroffen, hat mir den Genuss der ganzen Sendung verdorben. Heißt für mich: Wenn eine Frau nicht als schön taxiert wird, wird sie von diesem Flaneur gar nicht wahrgenommen. Sie hat dann keinerlei Bedeutung einfach als Mensch. Nur wenn sie schön ist. Und sie wird gleichgestellt mit den sonstigen schönen Dingen, die Mann begegnen können, wie Blumen und Blütenduft, Luftzug und Vogelgezwitscher. Was dem Flaneur also so begegnen kann. Die Frau kommt nur als Objekt vor, nicht als  handelndes Subjekt. 

Das erinnert mich an die Diskussion um ein Gedicht (Gomringer), das in großen Lettern an der Außenwand einer Hochschule geschrieben stand. Studentinnen verlangten, das dieses entfernt wird, weil sie sich daran störten, dass Frauen nur als Objekt vorkommen und mit Blumen gleichwertig dargestellt werden.  Ich weiß nicht, ob dies inzwischen geschehen ist oder ob sich die "Zensur" Kritiker durchgesetzt haben und das Gedicht stehen blieb. Auch in meinem Bekanntenkreis gab es heftige Diskussionen darüber, ob dieses Gedicht frauenfeindlich ist oder nicht. Meine Meinung dazu: Es ging den Studentinnen nicht darum das Gedicht zu verbieten, sondern sie wollten einfach nicht (unfreiwillig) tagtäglich, wenn sie die Hochschule betreten, sich von diesem männlichen Blick zuordnen , mit anlassen, den "schönen" Dingen gleichgesetzt werden. Sie wollten sich nicht täglich dem Blickwinkel eines Mannes unterwerfen, der mit seinem Blick entscheidet, ob sie schön und jung genug sind, zu den "schönen" Dingen zu gehören oder nicht. Der Blick des Mannes, in diesem Fall ein Dichter, der dies bewertet, der entscheidet, ob frau seines Blickes würdig ist, der frau zum Objekt macht. 

Zu mir hat mal ein Mann in vollem Ernst gesagt: Frauen werden durch den Blick des Mannes erst richtig schön. 

Und das schlimmste daran war, dass ich über diese hypertrophe Unverschämtheit auch noch ernsthaft nachgedacht habe. 

Aber ich glaube, das ändert sich gerade. Diese Zeiten gehen zu Ende. Junge Frauen machen sich mehr und mehr unabhängig vom Blick des Mannes. Sie lassen sich weniger durch die Macht des männlichen Blicks beeindrucken, sie versuchen nicht mehr den Erwartungen die dieser Blick ausdrückt zu gehorchen. Sie sehen sich nicht mehr nur ausschließlich durch die Augen von Männern. 

Männer, versteht mich nicht falsch. Es geht nicht darum, dass Mann Frau nicht mehr angucken soll. Es geht darum, diesen allgegenwärtigen taxierenden, bewertenden Blick auf Frauen zu verändern. Diesen Blick, der ein Machtgefälle  ausdrückt. Der ausdrückt: Ich Mann bestimme die Blickrichtung und die Bewertung was ich sehe. Ich habe die Macht zu entscheiden, ob du Frau es wert bist wahrgenommen zu werden. Nicht als Mensch, sondern als "schöne" Frau und was schön ist bestimme ich.

Die Übermacht des männlichen Blicks in der Kunst, in Filmen, in der Politik, in den Medien, in der Öffentlichkeit. Das macht mich manchmal mutlos und wütend. 

Männer wie Frauen müssen das verlernen. Sich sehen und wahrnehmen als Individuen, als Mensch, der mich anzieht oder eben nicht. Als Individuum, als Mensch, als Frau wahrgenommen werden und eben nicht als Kategorie "schöne Frau". 

Was können Männer davon profitieren? Viel. Sie können zum Beispiel die Angst verlieren selbst taxiert zu werden. Sie müssen sich nicht mehr so anstrengen, mehr zu erscheinen als sie sind. Sie müssen nicht soviel Status- und Machtsymbole besitzen, anhäufen, Geld, Autos, Häuser. Sie müssten sich nicht mehr so anstrengen als Supermänner zu erscheinen und ihre Genussfähigkeit würde erheblich steigen. Sie könnten einfach mehr das tun, was ihnen Spaß macht.  

Was können wir alle gewinnen, wenn wir dieses Macht-Blick Gefälle verlernen? Wenn wir all diese Filme, wo Frauen ausschließlich als Objekte vorkommen und nicht als handelnde Menschen einfach nicht mehr anschauen? Wenn wir Kabarettisten nicht mehr zuhören, die sich ausschließlich am Aussehen und Outfit von Politikerinnen abarbeiten und nicht an deren Politik. Wenn wir es nicht mehr akzeptieren, dass junge Frauen wie Greta Thunberg als kleine Mädchen abgetan werden und nicht als handelnde Person ernst genommen werden. 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Frieß (Samstag, 13 März 2021 18:15)

    Wichtiger Beitrag zur Diskussion.