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Krebs

Die erste Zeit nach der Diagnose wollte ich dieses Wort nicht benutzen und behalf mich deshalb mit Umschreibungen, wie Tumor oder Knoten. Auch die Bezeichnung bösartiger Tumor wollte ich nicht benutzen ohne den Zusatz "klein". Kleiner bösartiger Tumor

Ich merkte, dass manche Gesprächspartner durch dieses Wort verunsichert werden und einen anderen Tonfall bekommen, wenn dieses Wort ausgesprochen ist: Krebs

Nach dem anfänglichen Schock, setzten unterschiedliche Mechanismen bei mir ein: Herunterspielen bis hin zur Verleugnung. Ich dachte manchmal, die haben sich getäuscht. Spätestens bei der OP stellt sich heraus, dass "es" nicht bösartig ist. Dann dachte ich wieder, dass "es" sich von alleine wieder "auflöst", wie so viele andere Knoten und Knuppel, die frau schon so hatte. 

Hat "es" aber nicht. 

Zum Glück hatte ich im Krankenhaus keine Brustkrebs-Leidensgenossinnen, denen es schlechter ging, im Zimmer,  sondern ganz "normale" "Fälle", wie Blasensenkung oder Zystenentfernung. Die Patientinnen, die eine Chemotherapie machen müssen, bevor sie überhaupt operiert werden können, sind wesentlich schlechter dran und damit wollte ich mich gar nicht beschäftigen. Und auch nicht konfrontiert sein. 

Schockierend finde ich solche Worte in Informationsbroschüren, wie "Überlebensrate" oder "Überlebenszeit". Als ob es allein darauf ankommen würde, auf die Überlebenszeit. Und nicht auf das wie.

Also diese Broschüren habe ich gleich wieder weggelegt und werde sie nur zu konkreten Fragen wieder hervorholen und nicht allgemein lesen. 

Wie gut ist es doch und wie hilfreich in dieser Situation, dass ich in einer Beratung vor ein paar Jahren gelernt habe, mich mehr meinen Mitmenschen mitzuteilen und mich nicht nur permanent mit mir selbst "zu unterhalten" im Kopf. Diese Denk-und Verhaltensweise führte nämlich oft dazu, dass ich mit meinen Ängsten und Befürchtungen alleine blieb. Und meine Mitmenschen gar nichts davon mitbekamen. Das ging manchmal so weit, dass ich nicht wusste, ob ich etwas ausgesprochen habe oder dass das alles nur in meinem Kopf stattgefunden hatte und somit meine lieben Mitmenschen gar nicht wissen konnten, was mich beschäftigt, mich ängstigt. Und ich somit auch nicht erfahren habe, ob es anderen genauso geht, dass sie ähnlich denken und fühlen.  Und somit blieb ich oft alleine damit. Das hat sich so grundlegend geändert und mir geht es soviel besser seitdem, dass ich dem Berater gar nicht dankbar genug sein kann, dass er mir das "beigebracht" hat. 

Was ich dadurch gelernt habe, ist auch, dass ich die Tabuisierung von Krebserkrankungen mir nicht zu eigen machen muss. Ich kann meine Erkrankung weitgehend so ansehen, wie jede andere Erkrankung.

Manche Wörter, Sätze und Gedanken verbiete ich mir allerdings. Oder ich unterbreche sie. Versuche ich wenigstens.

 

Dieser Artikel wird fortgesetzt.

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Kommentare: 2
  • #1

    Friess (Samstag, 29 August 2020 23:25)

    Kluge, mutige Gedanken. Gute Besserung!

  • #2

    marianne (Freitag, 25 September 2020 09:40)

    Liebe Evi,
    Anfang November letzten Jahres ist eine Freundin aus unserer Gruppe "Bewußtes Sein" an Krebs gestorben. Sie war erst Mitte 40 und hinterließ 2 Kinder. Mit dieser Aussage möchte ich "Deinen" Krebs nicht kleinreden sondern anknüpfen an das "Wie" und nicht "wie lange".
    Ich lernte Mareille vor ca. 7-8 Jahren in der Gruppe kennen. Damals ohne Haare auf dem Kopf. Im Verlauf dieser Jahre haben wir -was ihre Krankheit/Gesundheit betraf- Höhen und Tiefen miterlebt. Sie hat alles durchlaufen, was ihr von Ärzten u.a. geraten wurde: diverse Chemos, Bestrahlung...
    Zum Schluß "galt" sie über best. 1 Jahr als "Palliativ-Patientin".
    Es gab viele Phasen, in denen es ihr gut ging, es gab Phasen in denen die Ärzte meinten, es sehe gut aus, ihr Körper aber etwas anderes ausdrückte.
    Mareille wirkte auf mich voller Lebensenergie, kraftvoll, manchmal auch erschöpft und müde.
    Sie hat die Jahre mit Krebs intensiv gelebt. Sie hat sich dem "Krebs" gestellt und dem "Tod". (in z.B. auch Aufstellungen). Mareille ist in Frieden gestorben. Ihre größte Sorge war am Ende: "wie können meine Kinder mit meinem Tod leben". Auch das konnte sie zum Schluss wohl loslassen.
    Letztes Wochenende war sie in der Gruppe wieder bei uns. So wie Barbara bei der Trauerfeier unter uns war.
    Liebe Evi, ich wünsche dir viel Kraft für die Bestrahlung und dass sich die Krebszellen von dir fern halten. Herzliche Grüße