· 

Alltags Rassismus

Im Gegensatz zum Rassismus in Teilen der Polizei oder der Bundeswehr, haben wir auf den Alltags Rassismus, auf unseren eigenen Rassismus, auf unsere Sprache, auf unser Denken, mehr und direkten Einfluss.

Der tagtägliche Rassismus ist eine Ebene, auf der wir als Einzelne etwas zu einer Veränderung beitragen können. Durch eine Sensibilisierung für Rassismus im Sprachgebrauch oder gruppenbezogene Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit.

Mit Sensibilisierung ist gemeint, dass wir diese Form des Rassismus erst einmal als solchen wahrnehmen und nicht klein reden oder verharmlosen. Auch der Alltagsrassismus ist rassistisch und wird von den davon Betroffenen als Verletzung empfunden.

Die Überlegungen zum Thema Alltagsrassismus treffen genauso auf  Antisemitismus, Sexismus und jede andere Form von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (Homosexuelle, Behinderte, Obdachlose, psychisch Kranke usw.) zu. Das Syndrom "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" bedeutet eine feindliche Einstellung gegenüber bestimmten "Gruppen" von "Anderen".  

Die rassistische Diskriminierung geschieht in 3 Schritten: 

1. Wahrnehmung. Ich nehme an einer Person ein Merkmal wahr.  2. Zuordnung: Ich ordne die Person einer Gruppe zu (die Gruppe ist konstruiert, es gibt keine homogenen Gruppen). 3. Bewertung: Ich bewerte die Person aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit (z. B. kann nicht einparken, ist anfällig für Radikalisierung, ist diebisch, kann gut tanzen).

Ja, es gibt auch positive Diskriminierung, z. B. wenn gesagt wird, dass alle Schwarzen gut tanzen können. Wenn so etwas behauptet wird, maßt sich derjenige die Deutungshoheit an über Menschen und macht dasselbe, wie bei negativen Zuschreibungen. Auch wenn er es nicht diskriminierend gemeint hat. Absicht und Wirkung können unterschiedlich sein, Absicht ist nicht gleich Wirkung. 

Der erste Schritt ist also die eigene Sensibilisierung für rassistisches Verhalten oder Sprache. Der zweite Schritt ist das Eingreifen, das Aktivwerden, wenn wir etwas rassistisches wahrnehmen. Es besteht nämlich die Gefahr, wenn man an einer Stelle nicht eingreift, z.B. bei einer sexistischen Bemerkung, dass daraus geschlossen wird, dass man sich das auch an anderen Stellen erlauben kann, dass das "erlaubt" ist. Überall wo das Prinzip "alle Menschen sind gleich" verletzt, angegriffen wird, sollten wir (möglichst gleich)eingreifen. Das ist auch wichtig für die Betroffenen von Rassismus.  Es gibt eine primäre Viktimisierung, Verletzung, und eine sekundäre, die unter Umständen ebenso schlimme Auswirkungen haben kann: Durch das Schweigen von Freunden, die nicht sehen, nicht hören, nicht handeln und sich rechtfertigen.

Hoher Anspruch, ich weiß. Und nicht bequem, ich weiß. Ich schaffe das auch nicht. Aber ich bemühe mich und oft fallen mir dann hinterher richtig gute Antworten ein. Halt hinterher. Aber manchmal kann man auch hinterher das Ganze nochmal ansprechen oder sich für das nächste Mal präparieren und Antworten zurechtlegen. Fachleute haben mir gesagt, dass es nicht unbedingt wichtig ist, wie man reagiert, die Hauptsache ist, man reagiert möglichst immer auf diskriminierende Äußerungen. Beispiele: "Ich mag das nicht, weil das so abwertend klingt". Oder wenn man selbst etwas diskriminierendes gesagt hat, kann man einfach sagen: "Oh, Entschuldigung, was keine Absicht".

Ja, es ist nicht bequem und die innere Abwehr ist groß, sich damit zu beschäftigen, zu reflektieren und sich zu ändern, z. B. seinen Sprachgebrauch. Aber die Sprache ist wichtig, sie schafft Wirklichkeit und bestimmt unser Denken. In einer Postfaschistischen und einer Postkolonialen Welt sind manche Worte und Begriffe nicht mehr zeitgemäß. Und das Wort Rasse auf Menschen angewendet, war und ist schon immer einfach falsch. Es gibt keine Menschenrassen

 

 

P.S. Die Kategorien, wie z.B. "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" habe ich mir natürlich nicht selbst ausgedacht. Sie sind von der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt, die sowohl Bildungsarbeit vor allem für junge Menschen machen, aber auch Beratung für Menschen anbieten, die von Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit betroffen sind. 

In der Wochenzeitung "Freitag" war ein Artikel über Aminata Toure´, die Landtagsvizepräsidentin von Schleswig Holstein, grüne Abgeordnete. Schon vor dem schrecklichen Mord an George Floyd arbeitet sie u.a. mit der Polizei und anderen staatlichen Institutionen. Sie will staatliche Institutionen dazu bringen, Rassismus "zu verlernen". Das gefällt mir sehr gut: Rassismus verlernen.  

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    marianne (Donnerstag, 09 Juli 2020 10:31)

    Ich frage mich in diesem Zusammenhang, ob jede Form der Beurteilung, Bewertung eines Menschen oder einer Gruppe schon der Beginn einer Be- oder Ausgrenzung darstellt. Unsere über Jahrzehnte antrainierten Vorstellungen, Konzepte (die sich sicher verändern, aber sich immer wieder zu einem Bild zusammenfügen) führen doch dazu, dass unser "innerer Richter" urteilt und verhindert eine "offene Begegnung". Ich finde es immer wieder schwierig, diese Bilder loszulassen und neu, frei, offen den oder dem Menschen zu begegnen. Eine große alltägliche Herausforderung oder?
    Das ist vielleicht noch keine Ausgrenzung aber eine Begrenzung.

  • #2

    Marilena (Montag, 01 März 2021 20:11)

    So ein wichtiges Thema finde ich!!! Ich lerne auch immer mehr, wo meine Fehler liegen, was ich selbst machen kann um ganz langsam und in viel zu kleinen Schritten den Alltagsrassismus wahrzunehmen und versuchen ihn zu verlernen... ich finde es ganz wichtig den Menschen, die von Rassismus betroffen sind zu zu hören... dafür sind soziale Medien gut geeignet. Über dieses Thema würde ich mich besonders gerne mal wieder persönlich mit dir austauschen!