Unterwegs auf meiner letzten Streckenwanderung hatte ich eine kleine "Erleuchtung", wie ein Weg zu weniger Angst und mehr innerer Freiheit gehen könnte. Ich dachte über das Leben Jesu nach (ich, das Heidenkind), vielleicht, weil Ostern gerade vorüber war. Und zwar ging mir auf, dass Jesus immer ganz im Hier und Jetzt gelebt hat. Außer in seiner letzten Nacht, als er mit der Angst vor dem Leiden gekämpft und sogar mit seinem Gott gehadert hat. Das bedeutet doch für uns, wir sollen in der Gegenwart leben, ohne Angst vor der Zukunft. Wir wissen nicht, was die Zukunft uns bringt (im Gegensatz zu Jesus in seiner letzten Nacht). Also lohnt es sich nicht mit der Angst zu leben vor so vielen Ereignissen und Dingen, die vielleicht nie eintreten.
Im Hier und Jetzt zu leben im Sinne von Jesus (ich bin nicht religiös, aber an Propheten glaube ich schon...), bedeutet, den Menschen denen wir begegnen, allem gegenüber, vorurteilsfrei und offen zu sein, wahrzunehmen, aufzunehmen und einfach zu sein. Wenn das so einfach wäre....
Einige Tage nach der Wanderung begegnete mir eine Frau, die mich sehr beeindruckt hat. Sie war mit einem Kinderwagen unterwegs und betrachtete gerade eine große Eiche. Wir kamen schnell in ein intensives Gespräch über die Liebe zu den Bäumen und zur Natur. Die Frau berichtete, dass sie die Liebe zu den Bäumen von ihrem Großvater gelernt hat, der ein weiser Mann war. Sie komme aus Gambia und der Großvater sei mit den Kindern des Dorfes jeden Tag in den Wald gegangen, um sie dort zu unterrichten. Schon als 4 - Jährige habe sie so zusammen mit den anderen Kindern von ihrem Großvater gelernt, wie man in Respekt vor der Natur und im Einklang mit ihr, leben soll.
Ich erzählte der Frau von meinen Überlegungen zum Leben Jesu, dass dieser ganz in der Gegenwart gelebt hat. Und sie erzählte mir, dass auch ihr Großvater gelehrt hat, dass man so leben soll: Jetzt und Hier. Die Vergangenheit bedeute viel angesammeltes Leid. Die Zukunft bedeute viel Angst. Freiheit und Freude und Frieden finde man nur in der Gegenwart.
Die Frau erzählte mir noch, dass sie deshalb die Kinder so liebe, weil sie auch ganz im Hier und Jetzt leben. Das Baby im Kinderwagen schlief die ganze Zeit total entspannt und in tiefstem Vertrauen. (Der Blick in den Kinderwagen irritierte mich einen Augenblick, denn das Baby war weiß und die Frau war schwarz. Sie merkte wohl diese Irritation und klärte mich auf, dass sie seit dem sie vor 20 Jahren aus Gambia hierher kam, immer Kinder betreut hat und dieses Kind aus einer irischen Familie stammt. So kann man sich täuschen, wenn man eine dunkelhäutige Frau mit Kinderwagen sieht.)
Die Begegnung mit dieser Frau dauerte nur wenige Minuten, beseelte und beglückte mich aber für viele Tage.
Und ich lernte daraus: Zur Reduzierung der Angst hilft leben im Hier und Jetzt, in der Gegenwart.
Aber wie schafft man das???? Kann man/frau das lernen???? Muss ich das erlernen, üben, trainieren, wie eine Fremdsprache???
Ich oute mich mal, als (frühere, natürlich) Leserin von Paolo Coelho, lange her..... Und es passt so gut.
Aus der Alchimist:
"Mein Herz fürchtet sich vor dem Leiden", sagte der Jüngling zu dem Alchemisten. "Dann sag ihm, dass die Angst vor dem Leiden schlimmer ist, als das eigentliche Leid. Und dass noch kein Herz gelitten hat, als es sich aufmachte, seine Träume zu erfüllen; denn jeder Augenblick des Suchens ist ein Augenblick der Begegnung..."
Kommentar schreiben
marianne (Donnerstag, 08 August 2019 10:43)
Eckhart Tolle bietet mit "Leben im Jetzt" oder auch "Eine neue Erde" hierzu Lebens- vielleicht auch Sterbehilfen, wie ich finde.
Deine Begegnung mit der Frau und dem Baby ist ein wunderbares Beispiel und sicher eine wertvolle Erfahrung, liebe Evi. Ich glaube, dass Du das nur erleben konntest, weil Du wach und auf der Suche warst. Herzliche Grüße