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Der Tod. Nicht erschrecken!

… es gelänge bis zum letzten Augenblick wach und bewusst zu sein und die Angst oder der Schmerz nicht zu groß wäre, könnte dieser Augenblick des Absprungs und Loslassens  ungeheuer spannend und aufregend sein. 

So über den Tod zu denken war natürlich nur möglich, weil der Tod weit weg war, in ferner Zukunft und mir sehr  unwahrscheinlich erschien, als dass er mich betreffen könnte. Eigentlich hielt ich mich damals für unsterblich. Obwohl auch schon damals gestorben wurde: Meine Großeltern, entferntere Verwandte und Bekannte, in der dritten Welt oder in Kriegsgebieten.

Die Unmittelbarkeit und Nähe des Todes brach mit dem Tod meines Vaters in mein Leben ein. Ich weiß noch, dass diese Zeit zu gleich abgrundtief traurig und bedrohlich war, dass ich mich aber auch sehr lebendig, intensiv und mitten im Leben fühlte. Keineswegs schwer oder leer.  Eher eine ernsthafte Leichtigkeit oder eine heitere Ernsthaftigkeit. 

Christa Wolf schreibt (ich glaube in der Medea): "Nie fühlte ich mich lebendiger, als in der Stunde meines Todes". 

Also diese Aussicht klingt doch gar nicht so übel....

Was denkt Ihr dazu? 

Ich möchte auf jeden Fall nicht völlig unvorbereitet vom Tod überrascht werden und mich deshalb mit ihm auseinandersetzen und vielleicht irgendwann gar vertragen, wie Rilke so schön schreibt. Vertragen klingt so normal und versöhnlich und gar nicht fremd und bedrohlich.

Also: Packen wir´s an, das Tabu..... 

 

 

 

 

Aus den Robaiyat von Omar Khayyam

 

Das Rätsel dieser Welt löst weder du noch ich,

jene geheime Schrift liest weder du noch ich. -

Wir wüssten beide gern, was jener Schleier birgt,

doch wenn der Schleier fällt,

bist weder du noch ich. 

 Von Rainer Maria Rilke

 

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,

als welkten in den Himmeln ferne Gärten;

sie fallen mit verneinender Gebärde.

 

Und in den Nächten fällt die schwere Erde

aus allen Sternen in die Einsamkeit.

 

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.

Und sieh dir andre an: Es ist in allen.

 

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen

unendlich sanft in seinen Händen hält.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    marianne (Mittwoch, 19 Juni 2019 09:14)

    zu dem Titel des Blogs, liebe Evi, fällt mir wiederum Rilke ein:
    Man muss Geduld haben

    Man muss den Dingen die eigene, stille, ungestörte Entwicklung lassen, die, wie jeder Fortschritt, tief von innen kommen muss und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden will.
    Alles ist Austragen und dann Gebären.
    Jeden Eindruck und jeden Keim eines Gefühls ganz in sich,
    im Dunkel, im Unsagbaren, Unbewußten, sich vollenden und
    mit tiefer Demut die Stunde der neuen Klarheit abwarten.
    Reifen, wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt und
    getrost in den Stürmen des Frühlings steht ohne die Angst,
    dass dahinter kein Sommer mehr kommen könnte. Er kommt
    doch. Aber er kommt nur zu den Geduldigen, die da sind, als
    ob die Ewigkeit vor ihnen läge, so sorglos still und weit.
    Man muss Geduld haben gegen das Ungelöste im Herzen und
    versuchen, die Fragen selber lieb zu haben wie verschlossene
    Stuben und wie Bücher, die in einer fremden Sprache
    geschrieben sind.
    Es handelt sich darum alles zu leben. Wenn man die Fragen
    liebt, lebt man vielleicht allmählich, ohne es zu merken, eines
    fremden Tages in die Antwort hinein.